Braucht Ihre NRO eine Bildungsstrategie? Sechs Gründe dafür und einer dagegen

Die meisten NRO haben Bildung als ein Tätigkeitsfeld. Auch bei jungen Initiativen, die noch keine Kurse oder Bildungsprodukte anbieten, kommt diese Idee oft in der nächsten Wachstumsphase auf. Schließlich geht es nicht nur darum, selbst großartige Dinge zu schaffen, sondern auch andere durch Veranstaltungen und Bildung einzubinden.


Die Frage lautet also: Brauchen wir eine Bildungsstrategie? Oder reicht eine allgemeine strategische Planung aus? Vielleicht ist das für unsere Organisation sogar überflüssig?

Was ist das?
Eine Bildungsstrategie beschreibt:

🟣 welche Zielgruppen die Organisation erreichen möchte,
🟣 welche Veränderungen sie bei diesen Menschen bewirken will,
🟣 durch welche Produkte dies geschehen kann,
🟣 wie die gesamte Produktpalette und die User Journey aussehen sollten,
🟣 und welche Indikatoren verwendet werden können.
Wann ist eine Bildungsstrategie notwendig?
Hier sind einige Indikatoren, die darauf hindeuten, dass eine Strategie erforderlich ist. Anschließend besprechen wir, wann man vielleicht darauf verzichten kann.

🟪 Sie streben langfristige Verhaltensänderungen bei Ihrer Zielgruppe an.
Zum Beispiel möchte eine Menschenrechtsorganisation, dass verschiedene Zielgruppen (Beamt:innen, Sicherheitskräfte, Lehrer:innen, Ärzt:innen usw.) nicht nur wissen, was Menschenrechte sind, sondern auch ihre Arbeit nach diesen Prinzipien ausrichten. Verhaltensänderungen sind ein langfristiger Prozess und stoßen oft auf natürliches Widerstreben. Nicht, weil Menschen schlecht oder ungebildet sind, sondern weil ihre bisherigen Erfahrungen ganz anders waren. In solchen Fällen muss die Organisation sowohl breite Bildungsprodukte planen als auch vertiefte Programme für Meinungsführer:innen in spezifischen Bereichen. Eine strategische Sichtweise, eine durchdachte Produktpalette und ein klarer Plan sind hierfür unerlässlich.

🟪 Ihre Initiative befindet sich im Wachstum und möchte ihre Zielgruppe erweitern.
Vielleicht beginnt Ihre Organisation gerade erst mit Bildungsprojekten. Oder Sie möchten den Bildungsbereich weiterentwickeln und Ihren Einfluss vergrößern. Beispielsweise hat eine Umweltorganisation mehrere erfolgreiche Kurse durchgeführt, basierend auf dem Fachwissen des Teams. Aber nun besteht der Wunsch, mehr zu erreichen und neue Menschen einzubinden. Eine Strategie hilft, verschiedene Wachstumsoptionen zu analysieren, sich auf Zielgruppen zu konzentrieren, die am ehesten interessiert sind, und deren Bedürfnisse zu verstehen, um die Produktpalette entsprechend anzupassen.

🟪 Sie haben Bildungsprodukte, aber diese sind nicht so populär, wie Sie es sich wünschen.
Häufig erstellen Initiativen hochwertige, tiefgründige Kurse, die jedoch nur eine kleine, bereits loyale Zielgruppe ansprechen. Zum Beispiel entwickelt eine feministische Organisation einen Kurs über die Geschichte des Feminismus, doch dieser bleibt weitgehend unbemerkt. Eine strategische Herangehensweise hilft in solchen Fällen, die Zielgruppen zu strukturieren, ihre Bedürfnisse zu analysieren und die Produktpalette so anzupassen, dass sie sowohl Einsteiger:innen als auch Fortgeschrittene anspricht. Es kann auch bedeuten, dass einige Kurse – wie zur Geschichte des Feminismus – nicht neu erstellt werden müssen, da es bereits qualitativ hochwertige Alternativen gibt. Die Organisation kann sich stattdessen auf Nischenprodukte konzentrieren.

🟪 Sie machen zu viel im Bildungsbereich, und Ihr Team ist erschöpft.
Erschöpfung entsteht nicht nur durch Bildungsprodukte, sondern oft durch schlecht gestaltete Prozesse, falsche Kostenkalkulationen oder ungleich verteilte Aufgaben. Eine fehlende Strategie bei der Einführung von Produkten führt dazu, dass das Team Überstunden macht, ohne sichtbare Ergebnisse zu erzielen. Zum Beispiel startet eine NRO im Bereich Bürger:innenbildung ständig neue Kurse, um immer besser zu werden, doch anstelle von Veränderungen häuft sich Burnout an. Eine Strategie hilft, Schlüsselprodukte zu priorisieren, sich auf deren Verbesserung und Promotion zu konzentrieren und unnötige Schritte zu reduzieren. Neue Kurse sollten nicht einfach aus Prinzip erstellt werden.

🟪 Sie planen ein großes Programm.
Angenommen, Ihre Initiative möchte ein großes, durch Fördermittel finanziertes Projekt zur Medienbildung starten. Um sicherzustellen, dass der Antrag klar und effektiv ist, ermöglicht eine strategische Herangehensweise, einen kohärenten Plan zu entwickeln, verschiedene Zielgruppen zu berücksichtigen und sowohl kleine Produkte als auch langfristige Programme zu gestalten. Dies sorgt dafür, dass das Projekt auch nach Ablauf der Förderperiode nachhaltig und wirkungsvoll bleibt.

🟪 Ihre Organisation hat bereits ein starkes strategisches Management, benötigt jedoch eine Operationalisierung des Bildungsbereichs.
Zum Beispiel hat eine Jugendorganisation klare Prozesse, eine starke Vision und führt regelmäßig Strategieworkshops durch – nicht nur zum Schein, sondern ernsthaft. Doch die Planung im Bildungsbereich erfordert spezifische methodische Fähigkeiten: ein Verständnis dafür, welche Bildungsprodukte existieren, welche Einschränkungen sie haben und wie sie umgesetzt werden können. In solchen Fällen kann eine professionelle externe Perspektive dabei helfen, den Bildungsbereich zu operationalisieren, die Planung zu verbessern und diesen Bereich nahtlos in die Gesamtstrategie zu integrieren.
Wann ist eine Bildungsstrategie nicht notwendig?
Manchmal können ein oder zwei Bildungsprodukte aus einem tiefen Verständnis der Zielgruppe, aus Awe und dem Wunsch, eine mutige Hypothese zu testen, entwickelt werden. Für junge Teams kann ein zu tiefes Eintauchen in strategische Überlegungen dazu führen, dass „Luftschlösser“ entstehen, die niemals verwirklicht werden. Beim Start der ersten Produkte reichen oft Mut, eine grundlegende Analyse der Zielgruppe und ein gutes Projektmanagement aus.
Fazit

Die Entwicklung einer Bildungsstrategie erfordert Zeit, Energie und Ehrlichkeit mit sich selbst. Am besten gelingt dies mit Unterstützung einer externen Fachkraft, die methodisch geschult ist, die Projektgruppe fokussiert hält und den Blick auf das Wesentliche lenkt.


Eine Strategie kann in bestimmten Phasen – zum Beispiel beim Testen neuer Hypothesen oder beim ersten Erstellen von Produkten, angetrieben von Awe und Schaffensfreude – zu ressourcenintensiv und damit unnötig sein. Doch sobald mehrere Produkte entstehen, das Team Erschöpfung oder Publikumsschwund erlebt oder effizienter wachsen möchte, wird die Investition in eine Strategie zu einer effektiven Nutzung der vorhandenen Ressourcen.